Kommentar von Stanton Thomas, o9 Solutions Drei Wege zur transparenten Lieferkette im Jahr 2023 und darüber hinaus

Von Stanton Thomas 5 min Lesedauer

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Mit Beginn des neuen Jahres setzen Unternehmen in ganz Deutschland gezielt Maßnahmen um, um mehr Transparenz in ihren gesamten Lieferketten zu schaffen. Gemäß dem Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette, das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, ist jedes in Deutschland tätige Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern für Menschenrechte und Nachhaltigkeitseffekte entlang seiner gesamten Lieferkette verantwortlich.

Der Autor: Stanton Thomas ist Senior Vice President of Sustainability bei o9 Solutions
Der Autor: Stanton Thomas ist Senior Vice President of Sustainability bei o9 Solutions
(Bild: o9 Solutions)

Größere Unternehmen messen bereits seit vielen Jahren ihre Leistungen im Segment ESG (Environment, Social and Governance), um Erwartungen von Investoren, Stakeholdern und Verbrauchern zu erfüllen. In den kommenden Jahren werden diese Anforderungen auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausgeweitet: Ab 1. Januar 2024 gilt das Supply Chain Due Diligence Gesetz auch für Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern.

Deutsche Unternehmen stellen weiterhin die Weichen, um ehrgeizige Nachhaltigkeitsinitiativen in ihren Betrieben und Lieferketten umzusetzen – teilweise mithilfe dreier Schritte, die ihnen helfen, die strengen Anforderungen des Gesetzes zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette zu erfüllen.

Messung der ESG-Leistungsdaten

Einer der ersten Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Lieferkette besteht darin, die aktuelle ESG-Performance eines Unternehmens in allen Geschäftsbereichen und bei allen Lieferanten zu messen und zu berücksichtigen. Während viele Unternehmen bereits seit einigen Jahren ihre eigenen Scope-1- und Scope-2-Fußabdrücke messen, konzentrieren sie sich erst seit kurzem auf ihre Scope-3-Fußabdrücke. Die Messung von Scope-3-Daten erfordert ein tieferes Engagement in Bezug auf Handelspartner entlang der gesamten Lieferkette, von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktnutzung, sowohl für die Bewertung des Produktlebenszyklus als auch für die Identifizierung von ESG-Risiken.

Die Rückverfolgbarkeit und Transparenz der Lieferkette bezieht sich nicht nur auf Umwelteffekte, sondern auch auf Themen wie Menschenrechte, existenzsichernde Löhne, Kinderarbeit und die Verwendung von Materialien aus Konfliktgebieten. In jedem dieser kritischen Bereiche sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht in den Blickpunkt gerückt und werden bis 2023 und darüber hinaus weiter an Bedeutung gewinnen. Das deutsche Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette geht über die bloße Verpflichtung zur Einhaltung der Vorschriften bei der Erfassung von ESG-Leistungsdaten in Unternehmen hinaus: Unternehmen, die Verstöße feststellen und keine Abhilfemaßnahmen ergreifen, müssen mit einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro sowie mit Bußgeldern von bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes rechnen, wenn dieser 400.000 Euro übersteigt.

Um Einblicke in die gesamte Lieferkette zu erhalten, müssen Unternehmen nicht nur ihre eigenen ESG-Daten zusammenstellen, sondern auch relevante Daten von jedem ihrer Zulieferer sammeln. Dazu gehört zum Beispiel, wie sie ihre Rohstoffe beziehen, wie ihre Arbeitspraktiken aussehen und vieles mehr. Unternehmen, die ESG-bezogene Daten von ihren Lieferanten sammeln, sollten auch in der Lage sein, diese Daten mit ihren eigenen zu integrieren. Daher benötigen sie wahrscheinlich eine Plattform für das Lieferkettenmanagement, die in der Lage ist, externe Datenpunkte von Lieferanten zu erfassen sowie die Daten zu bereinigen und zu harmonisieren, damit sie mit den eigenen Daten übereinstimmen. Bereits jetzt kann KI-basierte Technologie eingesetzt werden, um ESG-Daten sinnvoll zu nutzen und Unternehmen zu unterstützen. Das setzt schon bei der Fähigkeit an, Chancen und Risiken zu identifizieren, die sie in ihrer eigenen Organisation und bei ihren Lieferanten beachten müssen.

Umsetzbare ESG-Ziele und Zielvorgaben definieren

Sobald Daten erfasst und auf eine einheitliche Basis gestellt wurden, besteht der nächste Schritt darin, Ziele und Vorgaben im Einklang mit dem Supply Chain Due Diligence Act festzulegen. Die gesteckten Ziele gelten sowohl für den Betrieb eines Unternehmens als auch für seine gesamte Lieferkette. Um den Fortschritt zu kontrollieren, müssen Unternehmen nicht nur Daten von ihren Lieferanten einholen, sondern auch direkt mit den Lieferanten in Kontakt treten, um zu verstehen, welche Art von ESG-Zielen sie sich setzen.

Systematische Fortschritte setzen voraus, dass sich die Unternehmen der ESG-Ziele, die sie sich setzen, bewusst sind und diese auch mit ihren Lieferanten teilen. Die Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten inklusive hoher Anforderungen an die Berichterstattung setzen sich immer mehr durch und dieser Trend wirkt sich auch auf die Art und Weise der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass nachgelagerte Einzelhändler Beschaffungsentscheidungen auf der Grundlage der verfügbaren ESG-Daten und -Ziele ihrer Lieferanten treffen müssen. Diese Informationen beeinflussen unter Umständen, mit welchen Lieferanten ein Unternehmen weiterhin zusammenarbeitet. Möglicherweise steht in manchen Fällen die Entscheidung im Raum, Materialien von anderen Lieferanten zu beziehen, um die eigenen ESG-Ziele zu erreichen.

Aktionsplan für ein aussagekräftiges Reporting

Sobald die ESG-Ziele eines Unternehmens festgelegt sind, ist es wichtig, sinnvolle Maßnahmen zur Überwachung und Verfolgung der Leistungsdaten zu ergreifen und transparent über die Ergebnisse zu berichten. Gemäß dem Supply Chain Due Diligence Act muss ein Unternehmen ein Risikomanagementsystem entwickeln und einen Prozess für die jährliche Berichterstattung etablieren. Dabei gilt es, der gesetzlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen, Risiken zu identifizieren und die ergriffenen Maßnahmen festzulegen – all dies wird auf der Website des Unternehmens veröffentlicht.

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Ein einheitlicher internationaler Standard für die Berichterstattung der ESG-Leistungsdaten wurde bisher nicht entwickelt. Da immer mehr multinationale Unternehmen unter dem Druck von Anlegern, Verbrauchern und Aufsichtsbehörden ihre ESG-Leistungsdaten zur Verfügung stellen müssen, wurden vielerorts eigene Methoden und Kriterien für die Berichterstattung entwickelt.

Insofern besteht ein drängender Bedarf an harmonisierten, branchenweiten Messverfahren und KPIs, die es Kunden und Investoren ermöglichen, aussagekräftige Einblicke in die Leistungsdaten eines Unternehmens hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten, seiner Dekarbonisierungsbemühungen und verantwortungsvoller Beschaffungsprozesse zu gewinnen. Es gibt eine wachsende globale Bewegung von Stakeholdern, die von einzelnen Unternehmen und ganzen Branchen verlangen, dass sie echte Nachhaltigkeit in den Fokus rücken und nicht nur die Einhaltung von Berichtsstandards. Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen allen Interessengruppen eine transparente Bewertung ihrer Fortschritte bei der Schaffung nachhaltiger und ethischer Lieferketten ermöglichen.

Wenn deutsche Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern das Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette einhalten und Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern sich mit Blick auf das Jahr 2024 darauf vorbereiten, sind sie perspektivisch möglicherweise klar im Vorteil. Denn die EU hat bereits strengere, auf die Lieferkette ausgerichtete Vorgaben in Arbeit. Die Richtlinie, die sich zurzeit noch im Entwurfsstadium befindet, würde EU-weit gelten und von Unternehmen verlangen, Menschenrechtsverletzungen wie zum Beispiel Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitnehmern zu identifizieren, zu verhindern und nachhaltigere Praktiken einzuführen. Durch das Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette haben viele Unternehmen bereits wirksame Praktiken entwickelt, Chancen und Risiken mit ESG-Dimension in ihrer gesamten Lieferkette zu identifizieren. Genau dies könnte sich als Vorteil beim Aufbau von Geschäftsmodellen erweisen, die sowohl nachhaltig als auch profitabel sind.

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